Die Jahrestagung des Kompetenz- und Koordinationszentrums Polnisch (KoKoPol) fand am 4.-5. November 2024 am Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal in Ostritz statt.

Diese Tagung ist in der Folge der jährlichen Tagungen von KoKoPol zur polnischen Sprache und Kultur im deutschen inner- und außerschulischen Bildungswesen zu sehen.

Nach der Jahrestagung 2023 „Das Bild von Polen und polnischer Sprache an deutschen Schulen“, das sich mit Quantität und Ausrichtung der Lehrmaterialien und dem Image Polens befasst hatte, richtete sich der Blick 2024 auf die administrative Verankerung von polnischer Sprache und Geschichte im deutschen Bildungssystem. Es galt dabei auszuloten, welche komplementären Aufgaben den Akteuren außerhalb des staatlichen Schulwesens wie Polonia-Organisationen, Volkshochschulen und Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft zukommen könnten oder bereits von ihnen wahrgenommen werden.

Auf Grund der KoKoPol vom Bund übertragenen Aufgabe, die Förderung der polnischen Sprache bundesweit im außerschulischen Bereich wahrzunehmen, eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten, die bereits in den öffentlichen Schulen laufenden Lehrangebote zur polnischen Sprache und damit implizit auch zur Geschichte und Kultur des Nachbarlandes um „Polnisch als Herkunftssprache“ im außerschulischen Bereich zu ergänzen. So laufen dank der Förderung durch den Bundeshaushalt seit September 2023 bei Polonia-Organisationen weitere und an Volkshochschulen neu eingerichtete einschlägige Sprachtrainings für polnischstämmige Kinder und Jugendliche mit weitreichender Resonanz.

Die Fachtagung wurde am 4.11.24 von Grußworten des Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer, per Videobotschaft und des Koordinators für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit, Dietmar Nietan MdB, eingeleitet.

KoKoPol hatte für die Tagung vier Aufgabenbereiche mit entsprechender Tagungsstruktur vorgesehen:

  1. Vergleich der Lehrpläne ausgewählter Bundesländer im Hinblick auf die Möglichkeit, Polnisch als Fremdsprache anzubieten;
  2. Analyse des Lernfeldes HSU Polnisch unter Berücksichtigung der Lehrpläne, der Akteure, der Zusammenarbeit zwischen Bildungsministerien und der polnischen Community; Vorstellung und Analyse der akademischen Ausbildung für Polnischlehrkräfte;
  3. Umreißen des Bereichs von Zusatzoptionen einer Sprachbegegnung mit Polnisch wie Nachmittagsarbeitsgruppen (z.B. an Ganztagsschulen), Projekttage und Jugendaustausch;
  4. Ausloten der Potenziale der deutsch-polnischen Schulbuchreihe „Europa – unsere Geschichte / Europa. Nasza historia“ für den Polnischunterricht.

Im einleitenden Impulsvortrag von Dr. Anna Mróz, KoKoPol, wurde ein grundlegender synoptischer Überblick über die Bildungskonzepte einzelner Länder und insbesondere die Rahmenbedingungen für Polnisch-Unterricht in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Niedersachsen und Berlin gegeben. Unterlegt wurde der Einblick durch beispielhafte Lehrpläne, Kurs- und Schülerzahlen, Beispiele von Best Practices und Zertifizierungen.
Deutlich wurde die Notwendigkeit von Mehrsprachigkeitskonzepten in den Ländern bis hin zur gesetzlichen Verankerung von Mehrsprachigkeit im Schulgesetz (beispielhaft in Berlin). Unser Dank gilt den Bildungs-/Kultusministerien der genannten Länder für die Bereitstellung wertvoller Informationen und Zahlen.

Ein wichtiger Meilenstein zu einer repräsentativen Erfassung des Potentials an Polnisch-Interessierten für den schulischen wie außerschulischen Bereich ist die von KoKoPol in Auftrag gegebene und koordinierte Studie „PolskiKompass“. Unter wissenschaftlicher Leitung und Beteiligung von Prof. Dr. Bernhard Brehmer, Universität Konstanz, Prof. Dr. Frank Faulbaum und Herrn Bekalarczyk, UADS Duisburg, wurde die von Dr. Magda Telus und Ramona Plitt (beide KoKoPol) koordinierte Bedarfserhebung vorgestellt. Die für Herbst 2025 zu erwartenden Ergebnisse dürften allen Akteuren im Bereich der Polnisch-Vermittlung belastbare und damit zukunftssichere Grundlagen für ihre Arbeit liefern.

Im ersten Themenblock „Herkunftssprache Polnisch“ wurden erfolgreiche Beispiele für Polnisch-Unterricht am Augustum-Annen-Gymnasium Görlitz durch Dr. Agnieszka Korman und am St. Benno-Gymnasium in Dresden (in freier Trägerschaft) durch Katarzyna Schulz vorgestellt. Hier wurden zahlreiche Ansätze für die Einführung bzw. Erweiterung von Polnisch-Unterricht aufgezeigt. Beide Referentinnen stehen mit ihren großen Erfahrungen für Konsultationen anderer Schulen über KoKoPol zur Verfügung.

Dass und wie man an der Uni Potsdam Polnisch auf Lehramt studieren kann, legte Dr. Olga Lewicka, Fachdidaktik Polnisch am Institut für Slavistik, dar. Nicht nur für KoKoPol ist die Frage des Nachwuchses bei Lehrkräften von hoher Bedeutung. Die Ausweitung des Polnisch-Unterrichts in deutschen Schulen dürfte die Nachfrage nach gut und einschlägig ausgebildeten Lehrkräften künftig steigern.

Vor der ausführlichen Diskussion der vorgestellten Modelle legte Agnieszka Scholz-Magrel die erfolgreiche Polnisch-Integration in der Europaschule „Katharina-Heinroth-Grundschule“ in Berlin dar. Auch hier gibt es zahlreiche Anregungen für andere Grundschulen, die gerne weitergegeben werden.

Am Abend des ersten Konferenztages stellte Dr. habil Przemyslaw Chojnowski (KoKoPol) den neu erschienenen Wissenschaftlichen Polonus 2024 vor, dem insbesondere die Erkenntnisse der Fachtagung zum Polenbild von 2023 zugrunde liegen.

Krönender Abschluss des Tages war die Hommage an den polnischen Dichter Zbigniew Herbert, dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Jacek Telus hat die Gedichte u.a. Herberts und auch Szymborskas mit eigener Musik unterlegt und in deutscher Übersetzung per Bildschirm einem sehr angeregten, größeren Publikum dargeboten.

Der zweite Tag (5.11.2024) begann mit Themenblock II: Polnisch als Herkunftssprache, moderiert von Dr. Anna Mróz, KoKoPol. Der Aspekt der Lehrerausbildung eröffnete das Panel. Im Vortrag von Andrea Ponikwia ging es um die Ausbildung von Lehrkräften. Hierzu stellte Andrea Ponikwia für die Universität Greifswald den gemeinsam mit der Universität Szczecin/Stettin entwickelten Studiengang für deutsche Polnisch- und polnische Deutsch-Lehrkräfte vor. Auch hier wurde deutlich, dass die noch überschaubare Bewerber/-innenzahl durch verstärkte Nachfrage aufgrund der nun vorhandenen Fördermöglichkeiten im Schulbereich eine deutliche Steigerung erfahren dürfte.

Dass Brandenburg vielfache Initiativen zur Förderung der Mehrsprachigkeit und insbesondere auch der Nachbarsprache für Kinder und Jugendliche mit polnischen Wurzeln aufgelegt hat, ist bei KoKoPol oft diskutiert und begrüßt worden. Dr. Anna Fabian von der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung belegte die Erfolge dieser Politik mit Zahlen: 179 Kinder nehmen am Unterricht „Polnisch als Muttersprache“ teil, Tendenz steigend. Die Modalitäten für diese Kurse wurden diskutiert und begehrlich als Beispiel guter Praxis aufgenommen.

Über Stand und Perspektiven der Mehrsprachigkeit in Berlin informierte Dr. Mark Hamprecht von der Senatsverwaltung. Nachdem Berlin 2021 als erstes Bundesland die Mehrsprachigkeit als Bildungsziel gesetzlich verbindlich gemacht hatte, ist im Bereich HSU (in Berlin ESU, Erstsprachenunterricht genannt) viel geschehen. Es gibt für Polnisch einen Rahmenlehrplan, auf dessen Basis die notwendigen Lehrmaterialen entworfen, Bedarfsabfragen durchgeführt und insgesamt in den angebotenen 9 Sprachen alle notwendigen Bedingungen geschaffen werden sollen. Polnisch werde derzeit von 105 Schüler/-innen in herkunftssprachlichem Unterricht vertieft. Zudem lernen an den staatlichen Schulen 375 Schüler/-innen Polnisch als Fremdsprache.

Zum Abschluss des zweiten Panels präsentierte Ewa Bobkiewicz die Arbeit der gemeinnützigen Initiative Lajkonik e.V. in Freiburg, Breisgau. Hier wird mit großem ehrenamtlichen Engagement viel Polnischunterricht (und anderes mehr) auf die Beine gestellt, unterstützt von der Stadt Freiburg und vom Polnischen Konsulat München. Auch KoKoPol wird die Arbeit nach Kräften unterstützen.

Im dritten Themenblock, moderiert von Dr. Magda Telus, stellten Dr. Marcin Wiatr, Georg-Eckert-Institut Braunschweig, und der Historiker Andrzej Dusiewicz vom Schul- und Pädagogikverlag Warschau die Entstehung und den Stand der deutsch-polnischen Schulbuchreihe „Europa – unsere Geschichte/Europa. Nasza historia“ vor. Dr. Stephan Theilig von den Oberbarnimschulen in Eberswalde berichtete über die praktische Anwendung des Lehrwerks in seinem Unterricht. Spätestens hier wurde deutlich, welch` wichtige Rolle das Lehrwerk bei der schulischen Aufarbeitung der deutsch-polnischen Geschichte spielt.

Im letzten Block des Tages, moderiert von Dr. habil. Przemyslaw Chojnowski, ging es um den außerschulischen Polnischunterricht, um Fragen von Organisation und Finanzierung. Zunächst stellte Luise Träger, KoKoPol, die Möglichkeiten der Förderung mit den Bundesmitteln durch KoKoPol dar. 2024 wurden 25 Poloniaorganisationen und 8 VHS in diesem Programm finanziell unterstützt. Die Diskussion zeigte, dass viele außerschulische Einrichtungen der Polnischpflege erst dank dieser Förderung ihre Arbeit fortsetzen können. Im Vortrag wurde zudem das Bildungsportal Herkunftssprache vorgestellt, das von KoKoPol mit dem Verlag Eduversum entwickelt wird und kurz vor der Einsatzreife steht.

Christof Schimsheimer vom Deutschen Polen-Institut stellte die Arbeit des PolenMobils vor, das auch Polnisch als Herkunftssprache berücksichtigt, und erläuterte alsdann das verdienstvolle Portal poleninderschule.de.

Aus Warschau zugeschaltet, berichtete Stefan Mehrens über den aktuellen Stand der Arbeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes, insbesondere auch über die Einblicke, die junge Menschen beider Länder bei ihren Begegnungen in die jeweilige Partnersprache bekommen.

In der Abschlussdiskussion wurde deutlich, dass es außerhalb der Kultusministerkonferenz auf Arbeitsebene bisher zu wenig Gelegenheit zum Austausch von Erfahrungen gegeben hat. KoKoPol wird versuchen, die Reihe dieser Arbeitstagungen im nächsten Jahr fortzusetzen. Hierbei wird es von erheblicher Bedeutung sein, dass die angelaufene und noch im Aufbau befindliche Förderung von außerschulischen Kursen und Initiativen auch nach 2025 fortgeführt werden kann, im Sinne eines geeinten, zukunftsfähigen Europa und in Erfüllung der zwischenstaatlichen Vereinbarungen.

Ein weiteres Ziel von KoKoPol ist die mögliche Vernetzung von inner- und außerschulischer Polnisch-Förderung. In Ergänzung der – wie bei der Tagung gezeigt – beispielhaften Arbeit einiger Bundesländer ist aus hiesiger Sicht auch eine Kooperation zwischen den Kultus-/Bildungsministerien und deren nachgeordneten Behörden mit außerschulischen Bildungsträgern wie Volkshochschulen denkbar und möglich. Hier würde KoKoPol eine Scharnierfunktion wahrnehmen können und inhaltlich wie organisatorisch Unterstützung leisten können.

Erfreulich ist das Interesse einiger Bundesländer, Polnisch als dritte Fremdsprache in Gymnasien anzubieten. Das gestiegene und weiter steigende Interesse an der polnischen Sprache und Kultur dürfte diese Projekte zum Erfolg werden lassen.

Um das Interesse am Nachbarland Polen weiter zu fördern, ist der Einsatz der deutsch-polnischen Schulbuchreihe „Europa – unsere Geschichte/Europa. Nasza historia“ im schulischen und außerschulischen Bereich von großer Bedeutung. KoKoPol ist bemüht, auch hierbei einen nachhaltigen Beitrag zu leisten.

Schließlich erfordert ein umfassender Überblick über die Bildungslandschaft Polnisch in und außerhalb von Schulen ein verstärktes Monitoring mit einer regelmäßigen und systematischen Erfassung und einer vertieften Analyse der Aktivitäten. Im Abgleich mit den 2025 zu erwartenden Resultaten der repräsentativen Bedarfserhebung von KoKoPol würden die solchermaßen erfassten Kennziffern und Entwicklungen eine solide Grundlage für die weitere Rolle der polnischen Sprache im deutschen Bildungsbereich bieten.

Die für den Herbst 2025 von KoKoPol geplante dritte Tagung zur Frage der polnischen Sprache und Kultur in der deutschen Bildungslandschaft dürfte im Lichte der bis dahin erzielten Erkenntnisse und Erfahrungen weitere Antworten auf noch heute ungeklärte Fragen bieten.